Kulturforum präsentiert

Westfalen-Blatt

 

Judith von Hillers Spiel besticht durch ausgefeilte und ausgefallene Arrangements, ihre Stimme geht unter die Haut und ihre Musik reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. (...)

Schwebeflug zwischen Brasilien und Leipzig

ZeitPunkt Kulturmagazin

von Volly Tanner

 

Mit solch einem familären Backround ist die Chance, Straßeneckensteherin zu werden (nebst dem unvermeidlichen Bier und der Fluppe) wahrhaft gering. Judith von Hillers Gengeberschaft ist das Grafikdruckerehepaar Reinhard und Jeanette Rössler - ihr Opi gar der allbekannte Akt- und Modefotograf Günter Rössler. Sie selbst tobte dementsprechend früh und frei durchs Leipziger Boheme- und Jazzleben. Swing und Soul und das Schlagzeug ihres Vaters waren Haltefesten. Später starb die DDR einen unrühmlichen Abgang, Judith machte Musik in Brasilien, und ein Entschluß festigte sich, nämlich Musikerin zu werden. Deshalb gings nach Weimar und Dresden zum Studieren, um dem klassischen Spiel in der Weltmusik wirklich die Professionalität abzujagen. Mittlerweile ist sie felsenfest in der Songwriterszene des Landes verhaftet. Und seit 2009 gibt es auch ein Album von ihr: "Schwebeflug" - schöne Lieder eben, die feinfühlend fliegen lassen: "Mein Ton, also die Art, wie ich die Gitarre anschlage, stammt eindeutig aus der Klassik, meine Harmoniefreude aus dem Pop, und die interessanten Zusatztöne, die aus einem normalen Akkord etwas völlig Unerwartetes machen können, aus dem Jazz. Die Atmosphäre ist meist ruhig, die Texte nachdenklich. Meine Stimme schwebt über allem drüber und hält alles zusammen. Hm, weißt du jetzt Bescheid?", sagt sie schmunzelnd und schelmisch und hinterläßt den Fragenden weiter fragend. Gern verweist sie auf ihre Konzerte, die natürlich anders sind als Studioaufnahmen - livehaftiger.

Warum alles möglich ist

Leipziger Volkszeitung

von Mathias Wöbking 

  

Auf ihrem beeindruckenden Album "Schwebeflug" balanciert Judith von Hiller stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen Liedermacherei und Jazz. Man könnte das Resultat Pop-Chanson nennen. Morgen präsentiert sie ihre entzückende Musik ohne Scheu vor Sentimentalität im UT Connewitz.

Es ist so ein Satz, von dem man dachte, daß ihn Hollywood-Schmonzetten, Selbstverwirklichungsratgeber und jungliberale Unternehmer verhunzt hätten. Als Judith von Hiller die verbotene Floskel ausspricht, passiert aber etwas Eigenartiges. Sie klingt auf einmal gar nicht mehr hohl. "Alles ist möglich, wenn ich es nur angehe", sagt sie.

Mit einem Konzert im UT Connewitz feiert sie morgen ihr Debütalbum "Schwebeflug", und wäre das Leben gerecht und würde sich Qualität immer durchsetzen, würde eine Musik-Laufbahn in einer Schublade beginnen, die in Deutschland nicht gerade überquillt: Judith von Hiller ist Chansonette. Oder eher Singer/Songwriter, Liedermacherin, macht sie Jazz-Pop? Bei näherem Hinsehen jedenfalls ist sie alles andere als ein Neuling, auch wenn sie mit 33 ihr Debüt vorlegt.

Alles ist möglich. Das weiß sie z.B. von ihrem Großvater, dem Fotografen Günter Rössler. Der hat seine Enkelin in den 80iger Jahren für die DDR-Strickzeitschrift "Modische Maschen" fotografiert. Wie er hat Judith von Hiller ihre Kunst von Grund auf gelernt: Sie studierte klassische Gitarre in Weimar und Leeds und sattelte einen Weltmusik-Aufbaustudiengang in Dresden drauf. Sie ist jahrelang mit verschiedenen Musikern durch Slowenien und vor allem mit dem Dresdner Gitarristen Marco Pfennig über die Insel Usedom und die Dörfer von Sachsen und Thüringen getingelt. Verschiedene Konzerte hielt sogar der berühmte Opa in Bildern fest, natürlich in Schwarz-Weiß. "Ich denke, er freut sich, daß ich jetzt meinen eigenen künstlerischen Weg gefunden habe."

"Du trägst alles Glück in dir", singt sie ungefähr in der Mitte ihrer Debüt-Platte, und wäre sie ein ganz junger Hüpfer, ein echter Neuling, würde der Satz wohl hohl klingen. Judith von Hiller ist verheiratet, und vor zweieinhalb Jahren ist ihre Tochter geboren. Mit der spielt nun das siebenjährige Kind des Großvaters, alles ist möglich. "Ich bin immer noch die, die ich bin, und trotzdem eine andere", beschreibt sie, wie es ist, Mutter zu sein.

"Aus den alten Selbstwertrümmern erstrahlt ein neues Licht", singt sie, und auch das könnte so eine Esoterik-Weisheit sein. Aber die akustische und die elektrische Gitarre, die sich um den Song schlängeln, sind alles andere als kitschig, und so wirkt der Text nicht wie eine Plattitüde, er zeugt viel mehr von beeindruckender Offenheit. Die Sängerin erklärt, daß "jede Zeile ihrer Lieder autobiographisch" sei.

Sie singt in Deutsch und in Englisch, wobei ihre deutschen Texte gefährlicher seien: Sie offenbarten ihr Inneres deutlicher, weil ja jeder verstehe, um was es da geht - um die "Welt in mir" nämlich, wie das Eröffnungsstück heißt. "Das Englische schafft mehr Distanz", stellt die Musikerin dagegen fest.

Die älteste Komposition ist eines der englischen Lieder und erzählt trotzdem gleich zwei persönliche Geschichten, eine, die sie selbst erlebt hat, und eine zwischen den Zeilen. Die erste Erzählung handelt davon, wie sie mit 17 in einem Praktikum in Brasilien mit Straßenkindern arbeitete. Aus dem mitreißenden Samba-Stück läßt sich noch immer das Mädchen heraushören, das mit großen Augen einen Platzregen erlebt, wie es ihn in Europa nicht gibt. Und das sich von der Fröhlichkeit der Straßenkinder anstecken läßt, die den Regen nicht meiden, sondern suchen. Die zweite Geschichte: Damals beschloß sie, es als Musikerin zu versuchen.

Judith von Hiller hat ihre damalige Stimmung nicht nur über all die Jahre, sondern darüber hinaus in die Idylle der sächsischen Provinz gerettet. Mit einem vierwöchigen Stipendium nahm sie die elf Lieder von "Schwebeflug" in der Denkmalschmiede Höfgen bei Grimma auf, mit Hilfe von Produzent Johannes Gerstengarbe und hochkarätigen Musikern aus Dresden, Jena und Berlin.

Im UT Connewitz stehen ihr aber abgesehen von Kontrabassist Felix Jacobi Leipziger Instrumentalisten zur Seite. Die räumliche Nähe mache es leichter, Probetermine zu finden. Mit E-Gitarrist Vinzenz Wieg, E-Pianist Marcus Horndt und Schlagzeuger Friedemann Pruß schließen sich ihr profilierte Musiker aus der Talentschmiede der Hochschule für Musik und Theater an, die im Idealfall zu ihrer ständigen band werden sollen, wenn das Vorhaben klappt, das sie nun angeht - wenn alles möglich ist. Von alleine wird das nicht funktionieren, trotz aller Qualität. Aber das weiß Judith von Hiller ebenfalls. "Die Welt steht uns frei", singt sie in einer Ballade. Auch dieser Satz mutet, so wie sie ihn singt, keineswegs phrasenhaft an. Er geht so weiter: "Keine Tür öffnet sich von allein."

Gänsehaut-Gitarrenkunst

Leipziger Volkszeitung Delitzsch regional

von Karin Rieck

 

Man kann Judith von Hiller aus Hohenossig um diesen Professor der Musikhochschule Dresden, bei dem sie ein Zusatzstudium Weltmusik mit der Gitarre absolvierte, nur beneiden. Daß Besucher des Schenkenberger Pfarrgartens Gelegenheit hatten, Thomas Fellow und seinen Dozentenkollegen Stefan Bormann live zu erleben, war nur dem Umstand zu "danken" (man möge die Formulierung verzeihen), daß der angekündigte Billy Goodman das Acoustic Open Air in Schenkenberg wegen Krankheit kurzfristig absagen mußte. Das Duo "Hands on strings" sprang unmittelbar ein, was wiederum wohl auch dem Umstand zu danken ist, daß Judith eben bei diesem Professor studiert hat und neben ihrem gelungenen Heimspiel abschließend gemeinsam mit ihrem Professor zeigen konnte, was in Dresden an Qualität auf dem Saiteninstrument und im Gesang vermittelt wird. (...)

"Welt in mir" begeistert die Juroren

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch regional

von Lutz Schmidt

 

Stimmungsvoll und emotional tief lotend erfüllte die Komposition "Welt in mir" von Judith von Hiller den Raum. Mit Gitarre-Partner Marco Pfennig bot sie das Werk dar, für das sie gerade den mit 1000 Euro dotierten Anerkennungspreis im Gellert-Wettbewerb erhalten hatte. (...)

Optimismus löst Weltschmerz ab

Sächsische Zeitung

von Diana Kümmel 

 

(...) Die Sängerin lag am Ende mit dem Jurypreisträger auf Platz eins. Da sie aber auch in der Publikumswertung die Nase vorn hatte, wurde ihr - der unter Musikern vielleicht wichtigere Sieg - der Publikumspreis zuteil. Mit dem "Lied vom Kaffee" überzeugte die passionierte Teetrinkerin auf ihrem Instrument. Und sie hat bewiesen, daß man Liebeslieder durchaus auch mit einem Augenzwinkern schreiben kann. Einen Einblick auf ihre melancholische Seite gab sie im zweiten Song. In "Welt in mir" beklagt Judith von Hiller Behäbigkeit und Ignoranz. Fazit des Songs: Viel zu oft wird an alten Werten festgehalten und viel zu wenig Neues ausprobiert. In der Liedermacherszene dagegen setzt ein Wandel ein. Früher war der Begriff Liedermacher immer nur mit Reinhard Mey verbunden. Das ist heute glücklicherweise nicht mehr so." (...)